Astroblog

Himmelsspaziergänge

Es ist schön, es ist sonnig, auch der Sonnenuntergang ist schön, soweit das Auge reicht kein einziges Wölkchen. Venus wäre vielleicht am Abendhimmel zu erspähen. Ich aber sitze im Auto und habe noch diverse Erledigungen abzuarbeiten. Grmbl. Aber später… verspreche ich mir.

Später dann, zu Hause, Abendessen, dann an den Rechner noch ein bisschen arbeiten, noch ein bisschen lesen, ich lese mich mal wieder fest… als ich wieder aus der Lesewelt auftauche ist es schon recht spät. Sicher hat sich das Wetter nicht gehalten, oder? Ich raffe mich auf, nehme das Fernglas, gehe nachschauen und: alles klar, kein Mond und ein Himmel voller Sterne. Eine helle, schnelle Sternschnuppe, Radiant Orion, zieht über mir ihre Bahn und hinterlässt kurzfristig ein kurzes aber breites Lichtband. Wow. Was für ein Ausblick. Die Sterne stehen heute ziemlich ruhig, flimmern wenig und die Atmosphäre scheint recht trocken und sauber zu sein; auch die örtliche Industrie hält sich zurück und blendet nur zurückhaltend. Erfreulicherweise ist die Nachbarschaft schon schlafen gegangen, alles finster, nur unsere Straßenlaterne trübt die Freude. Also verstecke ich mich hinter einem geeigneten Busch, nehme das Fernglas zur Hand und inspiziere.

Jupiter hängt groß und lampionhaft über der Garage – lohnendes Ziel. Orion ist noch zu weit unten, außerdem zu nahe an der industriellen Lichtglocke. Hübsch ist er trotzdem, der Himmelsjäger. Sogar der Bogen und die Bogenhand sind heute sichtbar. Schräg über mir Fuhrmann und Stier mit Pleiaden und Hyaden – heute könnte man beinahe Himmelsdiamanten pflücken. Hinter mir, mittlerweile fast im Horizontdunst versunken steht der Wassermann mit M2, da könnte man, aber nein, zu weit unten, nichts zu wollen, zu viel Dunst. Dafür hängt die Sternenkette der Zwillinge in guter Höhe über den östlichen Nachbarhäusern. Mal schauen. Da sind Pollux, Kastor, dann die Kette abgezählt und Bingo – M35. Heute gut zu sehen, auch mit dem 10fachen.

Damit ist die Entscheidung gefallen, das Teleskop bekommt Ausgang. Damit ich den Sucher besser nutzen kann stelle ich den Gartentisch in meinem lichtgeschützten Winkel auf, da hinauf kommt das Teleskop; Ablagefläche habe ich so auch mehr als genug.

Jupiter zuerst, er zeigt mir schöne Wolkenbänder und seine galiläischen Monde in interessanter Aufteilung, einen östlich, drei westlich, davon zwei scheinbar übereinander, dann die Pleiaden mit der kleinen Vergrößerung, wirklich schön. Dann aber auf zu den Zwillingen. Das Reinigen des Suchers hat sich wirklich gelohnt. Der Anblick ist zwar immer noch keine Offenbarung, aber es kommt definitiv mehr Licht durch und es ist mehr und das besser zu erkennen. Also wo ist nun der Kastor? Ah ja. So nun zähl, zähl… ich sehe nichts – zurück und neu gezählt, komme erfolgreich bei ι Geminorum an an, kurzer Schwenk nach links (oder himmel-west) – und bitte sehr: M35. Ich freue mich sehr, ist es doch für dieses Jahr eine Premiere.

Nun, wer ist noch draußen? Knapp über den Häusern, so halb im Dunst funkelt mich etwas Rotes an – das wird doch nicht, doch er ist es, Nachbar Mars macht seine Aufwartung. Das ist wäre eine gute Gelegenheit. Ich versuche den roten Planeten mit der Optik einzufangen, aber er ist zu weit unten, zu viel Dunst, nichts zu wollen, mindestens eine Stunde müsste ich warten, dann wäre die Chance gut. Ich entschließe mich, die Marsvisite auf einen anderen Abend zu vertagen, denn mittlerweile ist es recht spät, mir ist kalt und meine Finger protestieren lautstark. Also mache ich Schluss für heute, räume weg und gehe mich auftauen!